Feusi Fédéral Ep.15 mit Cédric Wermuth: «Die Linke ist in der Krise und am Suchen»
Shownotes
Die SP hat in der Corona-Krise die Bürgerlichen medial vor sich hergetrieben mit Forderungen nach immer noch mehr Unterstützungsgelder. Cédric Wermuth stellt das nicht in Abrede, sieht das Problem aber bei den Bürgerlichen: «In diesem Bundeshaus interessiert sich niemand mehr für das Gewerbe, schon gar nicht die Parteien, die das behaupten. Die orientieren sich an Harvard und den Grossbanken.»
Wenn der Staat das Arbeiten wegen der Pandemie verbiete, werde er automatisch entschädigungspflichtig, findet Wermuth. Die Machtverschiebung in der Krise zur Exekutive erachtet Wermuth als «hochproblematisch». Der Abbruch der Frühjahrssession sei ungerechtfertigt gewesen und habe dem Parlamentarismus geschadet. «Diesen Rückstand haben wir nie mehr aufgeholt.» Erst mit der Schaffung des Covid-Gesetzes habe man wieder zu einer staatsrechtlich richtigen Lage zurückgefunden.
«Integration ist kein Selbstzweck» Beim Rahmenabkommen habe sich die Fraktion klar positioniert, findet Wermuth. Eine Spaltung habe es nicht gegeben. «Der Kern sozialdemokratischer Politik ist die Verteidigung von Einkommen, Renten, gutem Leben und sozialer Sicherheit, die wäre infrage gestellt gewesen.» Die bereits wieder eingereichte Forderung nach einem Beitritt sei an klare Bedingungen geknüpft. Für Wermuth ist Integration kein Selbstzweck. «Ein Beitritt muss immer das Leben auf beiden Seiten der Grenze verbessern.»
Mit dem Rahmenabkommen habe die FDP die Schweiz von der EU entfernen und gleichzeitig die flankierenden Massnahmen schleifen wollen, sagt Wermuth. Doch warum waren dann alle Beitrittsbefürworter für das Vertragswerk? Weil es die Beziehungen zur EU auf eine neue Grundlage gestellt hätte, vermutet der SP-Co-Präsident.
Verelendungstheorie der Grünliberalen Das Rahmenabkommen als Mittel zum Beitritt lehnt Wermuth ab. Es könne nicht sein, dass man den Menschen sage, man müsse der EU beitreten, weil es nicht mehr anders gehe. «Das ist mir zu verelendungstheoretisch», sagt Wermuth mit Hinweis auf die Position der Grünliberalen. Man müsse den Beitritt als positives Projekt verkaufen. Wenn das nicht gehe, dann hätten die überzeugten Europäer wie er ein Problem. Beim Rahmenabkommen wäre der Preis zu hoch gewesen, sagt Wermuth.
Die EU entwickle sich aber in eine positive Richtung, findet Wermuth. Corona habe eine «Verschuldenslogik» geschaffen, aus der niemand mehr herauskomme. Auch die Schweiz sei eine Schuldenunion, und das sei gut so. «Nur das schafft einen ökonomischen Raum, um Ungleichheiten abzubauen.»
Zu viele Kompromisse beim CO2-Gesetz «Beim CO2-Gesetz haben wir zu viele Kompromisse gemacht», findet Wermuth. Es sei ein freisinniges Gesetz gewesen, das nun abgelehnt worden sei. Die liberale Logik der Lenkungsabgabe mache einen moralischen Vorwurf. Jene die jahrzehntelang Geld verdient hätten, wären nicht zur Kasse gebeten worden. Was also tun? Wir müssen zurück zu einer Klimapolitik wie sie erfolgreich war: mit verboten und mit technologischer Innovation und öffentliche Investition.
Die öffentliche Hand müsse vorangehen und nun investieren, zum Beispiel die Preise im öffentlichen Verkehr massiv senken. Dann könne man mit einer Lenkungsabgabe kommen. Die schnellste Variante wären aber Kredite. Wermuth fordert dafür eine Klimabank, mit Garantien des Bundes und Klimaagenturen, die Gebäudesanierungen finanziert. Der ökologische Umbau dürfe kein Renditeprojekt sein.
Demokratisierung der Gesellschaft Die Linke sei seit dem Fall des eisernen Vorhang in der Krise, findet Wermuth, weil sie die Befreiung vom «totalitären Schreck» nie richtig in den Griff bekommen habe. «Dann machte man den Fehler des dritten Weges», findet Wermuth. «Die Linke ist am Suchen.» In seinem vor einem Jahr veröffentlichten Buch «Die Service-public-Revolution – Corona, Klima, Kapitalismus - eine Antwort auf die Krisen unserer Zeit» schlägt Wermuth als Lösung viel mehr öffentliches Eigentum vor. Dass dies nichts anderes ist als die Formel vom «volkseigenen Betrieb» in neuem Gewand sieht er nicht so. Das 20. Jahrhundert habe die Idee einer zentralisierten Gesellschaft widerlegt, aber die Idee der Demokratisierung der Gesellschaft sei damit nicht tot.
Der erwähnte Artikel zum Abbau der Corona-Schulden: Link
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