Claude Longchamp: «Der Kampf um die Macht ist entfesselt», Feusi Fédéral, Ep. 37

Shownotes

Claude Longchamp hat sich die erste Hälfte der Wahlperiode seit 2019 angeschaut (Link). Sein Befund: Es werden immer mehr Referenden ergriffen. «In der laufenden Legislatur könnten wir auf rund zwanzig Referenden kommen». Das ist fast so viel, wie zwischen 1991 und 1995, nach dem Nein zum Europäuschen Wirtschaftsraum (EWR).

Verstärkung der Polarisierung Und der Bundesrat hat vier von 12 Referenden verloren. «Der Kampf um die politische Macht ist völlig entfesselt, das ist eine Verstärkung und Zuspitzung der Polarisierung», findet Longchamp. Das habe sich im ablaufenden Jahr, auch unter dem Eindruck der Pandemie, deutlich akzentuiert.

«Regieren nicht einfacher» Die Zivilgesellschaft sei aber allgemein «vifer» geworden, findet Longchamp. Sie sei fähig, auch kurzfristig ein Referendum zu ergreifen und die Machtfrage zu stellen. «Diese Gruppen können nicht nur die Unterschriften sammeln, sondern auch Abstimmungskämpfe führen.» Das Parlament sei dann überrascht, dass seine sorgsam erarbeitete Lösung bekämpft werde. «Das macht das Regieren nicht einfacher.» Diese neuen Kräfte müssten auf lange Sicht in den Willensbildungsprozess integriert werden, findet Longchamp.

Was von den Gegnern der Corona-Massnahmen politisch bleiben werde, müsse sich noch zeigen. Diese Organisationen seien mehr als eine Eintagsfliege. «Es ist eine Strömung». Aber diese Strömung müsse sich inhaltlich finden. Im Moment komme es nicht überraschend zu zahlreichen Spaltungen. «Bis sie das überwunden haben und eine konsolidierte Bewegung werden, ist das Ausdruck der Unzufriedenheit über die Pandemie, aber klar eine Minderheit.»

Denkfehler der SVP Der in diesem Jahr von der SVP thematisierte Stadt-Land-Graben sei nichts Neues, findet Longchamp. Dazu hat es auch eine Untersuchung von Politikwissenschaftler Michael Hermann gegeben (Link). Die Mehrheit der Schweiz lebe allerdings zwischen Stadt und Dorf, gibt Longchamp zu bedenken. «Es war der Denkfehler der SVP, dass sie von zwei Polen ausgegangen ist und übersehen hat, dass es viel dazwischen gibt.» Die Schweiz sei eine gigantische Ausgleichsmaschine. Das zeige sich gerade bei dieser Frage.

Was die FDP angeht, so sieht Longchamp die Herausforderung des neuen Präsidenten Thierry Burkart, den öko-liberalen Flügel einzubinden. «Bei der FDP hat man immer das Gefühl, wenn man den Präsident auswechselt, dann wird alles gut.» Die Partei werde von zwei Seiten infrage gestellt, einerseits von der SVP, andererseits von den Grünliberalen.

Die Herausforderung der FDP Die FDP habe sich entschieden, die Bindung in die Mitte abzukappen und den Konflikt mit der SVP zu bereinigen und mit ihr in Finanz- und wirtschaftspolitischen Fragen zusammenzuarbeiten. Petra Gössi habe dies geändert und versucht, daraus ein Wahlprogramm zu machen. «Sie ist damit gescheitert», stellt Claude Longchamp fest. Die Zukunft der Partei sei einfach zu beschreiben. «Vier bis fünf Prozent der Wählenden könnten SVP oder FDP wählen, bis heute dominiert die SVP dieses Potenzial», sagt Longchamp. Die Idee der Kurskorrektur sei, dass man da gewinnt ohne auf der anderen Seite zu verlieren. «Das würde der SVP wehtun und der FDP neues Selbstbewusstsein geben.» Wenn das Thierry Burkart gelinge, dann habe er gewonnen, wenn ihm das nicht gelinge, dann falle er zwischen SVP und Grünliberalen durch. «Dann wäre seine Präsidentschaft relativ schnell gescheitert.»

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