Christoph Schaltegger: «Kaum ein Land hat so gleich verteilte Einkommen», Feusi Fédéral, Ep. 41

Shownotes

Der Bund hat in der Pandemie rund 25 Milliarden Franken Schulden angehäuft. Jetzt geht es um die Frage, wie er diese wieder abbaut. Der Bundesrat hat zwei Vorschläge in die Vernehmlassung geschickt (Link). Entweder soll ein Teil der Schulden mit früheren Überschüssen verrechnet, oder die Dauer des Abbaus auf elf oder zwölf Jahre hinausgeschoben werden.

Bundesrat Ueli Maurer liess kürzlich in einem Interview mit dem Nebelspalter durchblicken, dass es für den Abbau der Corona-Schulden mehr Zeit brauche, als die im Gesetz vorgesehenen sechs Jahre (Link). Damit ist Christoph Schaltegger, Professor für Politische Ökonomie und Direktor des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik an der Uni Luzern nicht einverstanden.

Der Abbau in zwölf Jahren findet er zu lange. «Wer fühlt sich in drei Legislaturen noch zum Schuldenabbau verpflichtet?», fragt er. Zudem baue man die Schulden so auf einen Stand von 2019 ab, der gemäss Verfassung gar nicht gefordert sei.

«Wir sollten die Schulden auf das Niveau abbauen, welches die Verfassung vorsieht, nämlich jenen von 2003. Den Teil des Schuldenabbaus, den wir vor der Krise übererfüllt haben, den rechnen wir an, dafür bleiben wir bei den sechs Jahren.»

Kurze Frist ist wichtiger Bloss: Warum will Schaltegger unbedingt bei dieser Frist bleiben? Die kurzfristige Verbindlichkeit der Schuldenbremse im jährlichen Budget sei eine wichtige Stellschraube. «Man muss die Politiker nicht überzeugen, langfristig eine solide Finanzpolitik zu machen, das findet niemand falsch», sagt Schaltegger. «Entscheidend ist die Frage, ob wir es jedes Jahr im Budget schaffen, nur das auszugeben, was wir konjunkturbereinigt einnehmen, deshalb scheint mir eine kurze Abbauphase wichtiger.» Während sechs Jahren fühlten sich die Politiker auch noch an die Krise erinnert – und auch, wofür das Geld ausgegeben worden sei. Schaltegger sieht die Gefahr einer längeren Frist darin, dass in zehn Jahren niemand mehr an einem Abbaupfad festhalte, den er selber nicht beschlossen habe und der noch strenger sei als die Verfassung vorsieht.

Das Anrechnen eines Teils des bisherigen Schuldenabbaus sei kein «Buchhaltungstrick», wie es hie und da heisst, sondern der eigentliche Verfassungsauftrag. «Die Schuldenbremse wurde zur Stabilisierung der Schulden geschaffen, nicht zu deren Abbau. Wir sind lieber vernünftig und bleiben im Rahmen des Verfassungsauftrages, dafür innerhalb einer kurzfristigen Verbindlichkeit.»

Keine Zunahme der Ungleichheit Die 99-Prozent-Initiative ist zwar klar abgelehnt worden, aber die nächsten Vorschläge von Links zur Ungleichheit zwischen Arm und Reich sind bereits unterwegs. Die Pandemie habe die Reichen noch reicher gemacht. Bei der Verteilungsdebatte sollte man auf die langfristigen Trends achten, findet Schaltegger. Die Situation in der Schweiz ist seit Langem sehr stabil, nicht wie in anderen Ländern. «Das deutet darauf hin, dass wir in der Arbeitsmarkt und in der Steuerpolitik sehr vieles richtig machen.»

Der Arbeitsmarkt sei entscheidend. Je besser der funktioniere, desto besser sei die Einkommensverteilung – und zwar bereits vor der Transferpolitik des Staates mittels Steuern. «In praktisch keinem anderen Land sind die Arbeitseinkommen so gleich verteilt, wie in der Schweiz», sagt Schaltegger. Dies sei seit Langem so, trotz Globalisierung, die einen Trend zu mehr Ungleichheit mit sich bringe. Wesentlicher Grund sei der duale Bildungsweg, der Menschen pragmatisch ausbilde, sodass sie auch gebraucht würden.

Von Links wird jedoch argumentiert, dass die Vermögensungleichheit viel grösser sei als die Unterschiede beim Einkommen und dies korrigiert werden müsse. Schaltegger hält die Untersuchung der Vermögen für zwar interessant, aber nicht aussagekräftig. «Mit Vermögen kann man nicht direkt Leistungsfähigkeit generieren, mit der man konsumieren kann.» Es sei das Einkommen, das Konsum möglich mache.

Man müsse zudem genau hinschauen, findet Schaltegger. Ein grosser Teil des Vermögens erscheine gar nicht in den Statistiken, etwa das Rentenvermögen. Und dann müsse man in unserer Wissensgesellschaft auch das Humankapital einberechnen.

«Prosperierendes Labor» Die soziale Mobilität funktioniere in unserem Land, findet Schaltegger. Es gebe relativ gute Aufstiegschancen, die Schweiz sei keine Klassengesellschaft. «Mit gutem Namen auf der faulen Haut liegen, ist kein Erfolgsrezept in der Schweiz.» Die Schweiz sei ein «prosperierendes Labor».

«Wenn wir einen Trend hätten, dass Kapitaleinkommen wichtiger würden, wenn wir eine Klasse von Menschen hätten, die nur vom Kapital leben würde, dann wäre das keine sympathische Gesellschaft», sagt Schaltegger. «Aber wir sehen das in den Daten nicht.» Der Anteil des Arbeitseinkommens am Volkseinkommen sei relativ stabil bei 70 Prozent.

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