Philipp Kutter: «Man muss klare Kante zeigen», Feusi Fédéral, Ep. 44

Shownotes

Philipp Kutter beobachtet den Krieg in der Ukraine mit «Ohnmacht und Fassungslosigkeit». «Wir haben es nicht für möglich gehalten, in Europa», sagt er. Die Kehrtwende des Bundesrates bei den Sanktionen innerhalb weniger Tage kritisiert Kutter (Link). Man hätte von Anfang an klare Kante zeigen müssen, findet er. «Neutralität heisst nicht, dass man keine Meinung hat. Wir haben auch beim Ungarnaufstand oder dem Prager Frühling klar gesagt, auch wir als neutrales Land finden das falsch.» Immerhin habe es nach zwei Anläufen und Druck von Aussen geklappt.

Die Schweiz bleibt neutral

Bloss: Ist die Schweiz jetzt noch neutral? Der Konflikt müsse klar Putin und Russland angelastet werden, so dass man als neutrales Land nicht anders Stellung beziehen könne. «Deswegen gibt die Schweiz die Neutralität nicht auf», findet Kutter, «wir werden unsere guten Dienste wieder anbieten können.» Das Neutralitätsrecht werde die Schweiz einhalten und nicht militärisch eingreifen oder Waffen liefern, aber die Neutralitätspolitik müsse von Fall zu Fall angeschaut werden. «Man muss auch Haltung haben.» Kutter ist erstaunt, dass der Bundesrat und die Verwaltung auf diesen Fall nicht besser vorbereitet waren. «Es wirkt alles ziemlich schlecht koordiniert.»

Die jüngsten Ereignisse hätten seine Haltung zur Schweizer der Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat nicht geändert. «Es gibt kein Zurück mehr, wir müssen da rein», sagt Kutter. Aufgrund des Verhaltens des Aussendepartementes seien in der Mitte-Fraktion aber Zweifel aufgekommen, ob es im EDA genug Kompetenz gebe, um so eine wichtige Funktion auszufüllen.

Für die Gletscherinitiative

In dieser Woche hat das Parlament die Gletscherinitiative besprochen, die einen Ausstieg aus fossiler Energie bis 2050 verlangt. «Für mich ist wichtig, dass wir von den fossilen Energien wegkommen, einerseits wegen des Klimaschutzes, aber auch wegen sicherheitspolitischen Überlegungen. Wir brauchen Alternativen, das werde jedoch nicht ganz einfach.»

Doch wie beurteilt Kutter die Gaskraftwerke, die es wegen der Energiestrategie braucht? Die Gaskraftwerke seien nur eine Versicherung für den Notfall und würden nur eingesetzt, wenn die Stromversorgung gefährdet sei. «Das brauchen wir und das macht Sinn.» Aber deswegen mache sich die Schweiz nicht abhängig vom Gas. «Wir müssen neue Stromquellen finden, zum Beispiel Solaranlagen auf allen Dächern.» Zudem könne man auch noch erneuerbaren Strom importieren. Die Elcom warnt jedoch, dass der Import schon 2025 schwierig wird. Kutter ist aber zuversichtlich, dass die Versorgung trotzdem möglich sei.

Kutter hofft, dass die Gletscherinitiative rasch mit einem Gesetz umgesetzt wird. Denn darauf komme es an. Den Grünen ist das zu wenig verbindlich. «Die Grünen wollen immer mehr, die werden wir nie zufriedenstellen.»

«Wir müssen raus»

Sorgen macht Kutter die politische Kultur im Land. «Es hat während der Pandemie wenig Debatten gegeben, das hat uns geschadet», findet er. Wir seien ein kleinräumiges Land, das davon lebe, dass man sich treffe und austausche. Die Leute seien in der Pandemie einsam geworden und hätten sich auf ihre Positionen versteift. «Wir müssen wieder raus und aufeinander zugehen, um erstens die Einsamkeit zu durchbrechen und zweitens auch um wieder gute Kompromisse zu finden.»

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