Cédric Wermuth: «Die EU ist auch stur», Ep. 62
Shownotes
Feusi Fédéral ist der wöchentliche Talk des Nebelspalters über Schweizer Politik - direkt und ungeschminkt aus dem legendären Café Fédéral gegenüber dem Bundeshaus in Bern.
Die SP hat ein 32-seitiges Papier zur EU-Politik vorgestellt, das mit einem Stabilisierungsabkommen über ein Assoziierungsabkommen zu einem EU-Beitritt führen soll.
Doch wie soll das funktionieren, wenn die EU zuerst über institutionelle Fragen reden will und die Gewerkschaften genau dort Zugeständnisse ablehnen? «Zuerst muss man eine Vertrauensbasis mit der EU schaffen», sagt Cédric Wermuth. Dafür gebe es dann Lösungen in den reinen Kooperationsbereichen, wie bei der Forschung. «Wir versprechen zudem, dass wir danach über eine Assoziierung sprechen.» Er wisse aber auch noch nicht, wie die Fragen der Rechtsübernahme, des Lohnschutzes der Unionsbürgerrichtlinie oder des Strommarktes gelöst werden könnten, gibt Wermuth zu.
EU-Kommission soll sich bewegen «Die EU-Kommission soll sich gefälligst bewegen, die sind auch stur und das ist Kindergarten», findet Wermuth. Aber die Schweiz müsse den Beweis erbringen, dass sie es ernst meine, zum Beispiel, indem sie die Kohäsionsmilliarde erhöhe. «Das ist für uns Solidarität.»
Der Lohnschutz dürfe keinesfalls erodieren. «Sonst haben wir in zehn Jahren eine Volksinitiative zur Abschaffung der Personenfreizügigkeit.» Genau das hätten die Freisinnigen 2018 mit dem Rahmenabkommen versucht. Kein Land lasse sich die Interpretation interner Regeln wie der Lohnschutz in einem völkerrechtlichen Vertrag vorschreiben.
Bloss, das war ja im Ragmenabkommen bei allen binnenmarktrelevanten Themen so. Politik wäre dann in Brüssel gemacht und die Schweiz in Luxemburg kontrolliert worden. Wir handeln uns ein Demokratiedefizit ein. «Natürlich, deshalb muss der Beitritt kommen, weil wir dieses Defizit nur mit einem Vollbeitritt kompensieren können, das ist die logische Schlussfolgerung.»
Konstruktionsfehler des Binnenmarktes Wermuths Hoffnung ist, dass die EU-Kommission von ihrer dogmatischen Position abrückt, aus dem Schweizer Lohnschutz das «zentrale Kriegsbeil in den Beziehungen» zu machen. Die dogmatische Idee, dass der Binnenmarkt überall die gleichen Regeln haben müsse, sei ein Konstruktionsfehler. «Das ist auch ökonomisch absurd», findet Wermuth.
Der Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative sei kein sozialdemokratisches Konzept, dies obwohl er von seiner Partei bejubelt worden sei. «Wir würden schärfere Vorschriften lieber mit öffentlichen Investitionen koppeln. Aber wir bringen im Parlament nicht alles durch.»
«Verbote schaffen Innovation» Wenn die Ziele des Gegenvorschlages bis 2050 nicht erreicht würden, dann brauche es Verbote. «Wenn etwas schlecht ist, dann kann man es ja verbieten. Immer wenn Verbote kommen, dann schafft das Innovation.»
In Sachen Energieversorgung im nächsten Winter sei Bundesrat Guy Parmelin zuständig. Sein Departement sei sich nicht gewohnt zu arbeiten und irgend etwas voraus zu planen. «Das macht mir Sorgen.»
Kampagne gegen Lehrer Wermuth hat sich über den Beschluss des Aargauer Parlaments aufgeregt, dass eine Studie zur politischen Neutralität der Schule gemacht wird. «Gegen die Lehrer läuft eine Kampagne», sagt Wermuth. Aber sind die Schulen denn nicht links? «Das wäre mir neu. Die Aargauer Gymnasien sind die Institutionen des Aargauer Bürgertums.»
Man wolle eine Studie in Auftrag geben, weil man das «Gefühl» habe, dass die Schulen links seien. «Das ist woke, das ist dramatisch», findet Wermuth. «Ich könnte eine Prüfung von der Regierung verlangen, ob die Erde flach ist, weil ich das Gefühl habe, sie könnte flach sein.» Die Kampagne sieht Wermuth überall. «Es ist der rechte Kampf für die Relativierung der Wahrheit und Etablierung des Dogmatismus.» Ziel sei die Einschüchterung der Lehrer.
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